Wie ist die EYOTY entstanden?
Interview mit Jochen Rieker, dem erfahrenen Journalisten, der alles ins Leben gerufen hat.
Wie kam es zu diesem Wettbewerb?
Sie wurde uns Ende der 1990er-Jahre von ausländischen Lesern quasi aufgezwungen. Am Anfang stimmte das Publikum mit einem speziellen Stimmzettel ab, der in der Zeitschrift abgedruckt wurde, um sicherzustellen, dass nur Yacht-Käufer an der Wahl teilnehmen konnten. Wir stellten jedoch schnell fest, dass das nicht ausreichte, da es immer jemanden gab, dem es gelang, das System zu umgehen. Außerdem haben Leserpreise den Nachteil, dass es sich meistens um Beliebtheitswettbewerbe handelt. Wenn ein Boot zu einem erschwinglichen Preis zu haben ist, hat es größere Chancen zu gewinnen.
Wir wollten einen anderen Weg gehen und die neuen Yachten genauer unter die Lupe nehmen. Damals kam mir die Idee, einen internationalen Wettbewerb mit einer Fachjury ins Leben zu rufen, und ich hatte das Glück, dass mich meine Kollegen sehr schnell dabei unterstützten. Trotzdem war die Sache alles andere als einfach: Ich habe fast ein Jahr damit zugebracht, an Türen zu klopfen und jeden zu nerven, um in jedem Land die maßgeblichen Stimmen ausfindig zu machen. Obwohl ich in einigen Ländern wie den Niederlanden oder Finnland die besten Adressen kannte, wusste ich nicht, wen ich anrufen sollte.
Wie haben Sie die Jury dann schließlich zusammengestellt?
Ich habe sie selbst ausgewählt, da dieses Programm ursprünglich vom Magazin Yacht initiiert wurde. Ich habe mit verschiedenen Schiffskonstrukteuren in den jeweiligen Ländern gesprochen, um herauszufinden, wen sie empfehlen würden und von wem die Boote getestet werden sollten.
Aber natürlich möchte man immer das bekannteste, das meistgelesene und im Idealfall einflussreichste Magazin für sein Projekt gewinnen.
Wie entscheiden Sie, welche Yachten nominiert werden?
Ich würde Ihnen gerne das Manifest des Wettbewerbs „Europas Yacht des Jahres“ zeigen: Es enthält alle Regeln und Vorschriften. Jedes Jurymitglied erhält es und muss durch seine Unterschrift bestätigen, dass die Bedingungen, die für alle gleichermaßen gelten, eingehalten werden. Allerdings würde das hier vielleicht ein bisschen zu weit führen, deshalb möchte ich lieber Ihre Frage beantworten.
Jede Ausgabe des Wettbewerbs beginnt und endet auf der Bootsmesse in Düsseldorf. Die Preisverleihung findet traditionell am Samstagmorgen auf der Messe statt und ist immer ein schöner und gefürchteter Moment zugleich, da sie für die Verlierer zwangsläufig eine große Enttäuschung bedeutet. Am nächsten Tag, am Sonntagmorgen, beginnt dann bereits die nächste Runde mit einem Treffen der Redakteure. Wir diskutieren darüber, was sich im vergangenen Jahr verändert hat, wie sich der Markt entwickelt hat, welche Trends sich durchgesetzt haben. Und darüber, ob wir einen Kurswechsel vornehmen oder die Organisation der EYOTY anpassen müssen.
Auf diesen Erkenntnissen baut dann die neue Runde auf. Ziel ist es, unseren Aktionsradius zu erweitern, um einen breiteren Blick auf das zu haben, was passieren wird, und um sicherzustellen, dass wir alle Trends repräsentieren und aufmerksam genug sind, um festzustellen, was sich verändert.
Darauf folgt eine ruhigere Phase, in der sich alle zwei Monate lang entspannen, ihrer Beschäftigung nachgehen und eine Pause einlegen können.
Dann kommt die spannendste Phase der neuen Ausgabe. Wir erstellen eine neue Datenbank, erfassen alle Newcomer und beschreiben, was wir von ihnen halten, was sie einzigartig macht, was wir von diesem oder jenem Produkt erwarten und weshalb wir es für eine Nominierung in Betracht ziehen sollten. Wir beschäftigen uns mit allem, was von Interesse sein könnte.
Jedes Jahr kommen etwa 45 bis 72 neue Segelyachten auf den Markt. Wir prüfen alle Boote, die entweder völlig neu sind oder so stark überarbeitet wurden, dass sie erneut als Kandidaten in Betracht kommen.
Wann fällt die Entscheidung, wer nominiert wird?
Im Juni findet ein Treffen der Redakteure statt, bei dem über die Nominierungen entschieden wird. Das dauert mindestens drei bis vier Stunden, da wir an dieser Stelle auf die Details eingehen.
Und wenn wir dann eine Entscheidung treffen, gibt es Aspekte, bei denen wir flexibel sind. Beispielsweise kann es vorkommen, dass nur drei Boote in einer Klasse nominiert werden, weil es einfach nicht genug überzeugende Neuheiten auf dem Markt gibt.
Im Idealfall wählen wir jedoch fünf Yachten aus. Das Publikum weiß nicht, dass wir vielleicht nur drei Boote in einer Kategorie zugelassen, jedoch weitere Ersatzkandidaten nominiert haben, da es immer Überraschungen gibt, wenn sich die Boote präsentieren sollen.
Wie vergleichen Sie die Yachten einer Kategorie?
Aus meiner Sicht sprechen Sie hier einen der wichtigsten Punkte an: deutlich zu machen, dass wir die Yachten nicht direkt vergleichen.
Wenn wir uns eine First 36 ansehen, fragen wir uns zum Beispiel: Wie lauten die technischen Spezifikationen für dieses Boot? Weshalb ist es auf dem Markt? Wie lautet sein Versprechen?
Also sehen wir uns zunächst die technischen Vorschriften an und prüfen, ob das Boot sie erfüllt. Erst danach interessieren wir uns für die Perspektiven des Produkts auf dem Markt. Und zum Schluss dann noch für seine Konkurrenten. Dabei geht es nicht um die Konkurrenten des betreffenden Jahres, sondern um die Konkurrenten auf dem Markt der First 36.
Wie lange brauchen Sie für Ihre Entscheidung?
Es gibt eine letzte Beratung, einen letzten Moment der Entscheidung. Das kann den ganzen Abend und bis tief in die Nacht dauern. Wir setzen uns zusammen, und in den vergangenen Jahren waren wir um zwei Uhr fertig, wenn wir um acht Uhr angefangen hatten. Es ist sehr kompliziert. Wir nutzen sogar ein Bewertungssystem, wenn wir uns nicht entscheiden können, welche Yacht die beste ist.
Man kann sich mit Zahlen behelfen: Wir haben sechs Kriterien und eine Skala von 1 bis 10 Punkten definiert, die die Boote erzielen können. Wir benoten den Komfort an Bord, das Preis-Leistungs-Verhältnis, den innovativen Charakter und natürlich die Segeleigenschaften der Boote. Alles ist in den Vorschriften und Regeln genau festgelegt. Leider mussten wir aber immer wieder die Erfahrung machen, dass uns die Zahlen nicht weiterhelfen.
Weil am Ende immer zwei oder drei Boote übrig bleiben, die ungefähr dieselbe Punktzahl erreicht haben.
Und man steht wieder am Anfang des Problems. Nur durch eine Reihe von Entscheidungen und Diskussionen kommen wir schließlich zu einem Ergebnis.
Dieser Prozess dauert ein ganzes Jahr. Welches sind die besten und welches die schlimmsten Momente?
Der beste Moment ist sicher die Bekanntgabe des Siegers. Und das Schlimmste ist, dass wir die Träume der Verlierer nicht erfüllen können.
Deshalb betonen wir immer wieder, dass bereits die Nominierung ein halber Sieg ist. Es ist ein halber Sieg, weil die nominierten Yachten enorm an Popularität gewinnen.
12 Augenpaaren, die eine Yacht so lange unter sehr unterschiedlichen Bedingungen beobachten, entgeht nichts, und das halte ich für den wichtigsten Aspekt. Die Konstrukteure und die Fachjury machen keinen Hehl daraus, wie wichtig die Meinung unserer Redakteure ist, die sich auf Renn- und Fahrtenyachten spezialisiert haben. Das Wertvollste ist meiner Meinung nach deshalb das Feedback, das wir innerhalb eines kurzen Zeitraums erhalten und das von den Werften genutzt werden kann, um mehr über ihre Boote zu erfahren und noch besser zu werden.
Veröffentlicht am 07.11.2022