Geschichte

Wir sind eine der ältesten Schiffswerften der Welt, die mehrheitlich in Familienbesitz ist.

Annette ROUX 

1884

BENJAMIN BÉNÉTEAU

Mein Großvater Benjamin war ein ganz besonderer Mensch. Er wurde als Sohn einer armen, kinderreichen Familie in St Gilles geboren. Im Alter von 6 Jahren adoptierte ihn sein Onkel François Houyère. Er war Seefahrer und liebt das Meer. Seine Geschichten brachten Benjamin zum Träumen. Mit 12 war mein Großvater Schiffsjunge an Bord der Elisa und träumte davon, Schiffsbauer in der Werft des Vaters seines besten Freundes zu werden. 1878 absolvierte er seinen Militärdienst in Rochefort und verwirklichte dort seinen Traum. Er wurde Schiffsbauer. 

In Croix-de-Vie am Quai des Greniers, gleich neben der Brücke, gründete unser Großvater schließlich im Jahr 1884 seine Werft, die selbstverständlich seinen Namen trug: Bénéteau. 

Damals gab es verschiedene Fischerboote wie Kutter, Logger oder Gazelles, natürlich alles Segelschiffe. Leistung bedeutete für diese Fischerboote als erster im Hafen zu sein, denn der erste verkaufte seinen Fisch zum besten Preis. Diese Suche nach der optimalen Leistung ist damals wie heute zentrales Element der Arbeit der Architekten und Konstrukteure, treibt sie an, lässt sie nicht ruhen, motiviert sie fortwährend innovative Lösungen zu entwickeln. 

1909 schlug die Stunde der Motoren. Ungeachtet der Kosten und der Konsequenzen baute Benjamin das erste motorgetriebene Fischerboot der Region.

Er fand keinen Kunden, also wurde er kurzerhand selber Reeder. Provokant wie er nun einmal war, taufte er das Boot "Vainqueur des Jaloux" (Sieger der Neidigen). Croix-de-Vie war zu dieser Zeit ein wichtiger Sardinenhafen. In der Stadt gab es ein gutes Dutzend Sardinenkonservenfabriken. Die Frauen dachten, der Motorlärm würde die Fische verjagen. Sie legten die Arbeit nieder und bewarfen Benjamin mit Steinen. Die berittene Polizei aus Les Sables d´Olonne und La Roche-sur-Yon schritt ein. Der Konflikt dauerte mehrere Monate. Irgendwann war er dann doch vorbei und Benjamin taufte seinen zweiten motorisierten Sardinenkutter "La Paix" (Der Friede).

1928

UNSERE ELTERN

Nach dem Ende des 1. Weltkriegs nahm die Werft 1928 ihre Arbeit wieder auf. Mit dem verwaisten André Beneteau übernimmt der einzige Sohn von Benjamin das Unternehmen.

Für die Einwohner von St-Gilles-Croix-de-Vie war der Tod von Benjamin gleichbedeutend mit dem Ende der Werft. Unser Vater hatte vielleicht nicht die starke Persönlichkeit unseres Großvaters, er galt eher als der "Schweigsame" (wie man es auch einem unserer großen Seefahrer nachsagt), aber Papa war ein begnadeter Zeichner. 

Einer der Fischer vertraute ihm und im Schutz des Schuppens zeichnete und baute Papa für ihn seine erste Pinasse. Als ich noch ein junges Mädchen war, haben mir die alten Leute im Ort diese Geschichte erzählt. Wie es damals üblich war, sind alle zusammengelaufen, um das neue Boot zu sehen und waren verblüfft über die Eleganz dieser Pinasse. Die BENETEAU-Werft war wieder da!

Dann kam der 2. Weltkrieg, einige Gesellen wurden eingezogen. Papa heiratete unsere Mutter Georgina, unser Bruder André kam 1934 zur Welt. Nach Kriegsende kamen einige der früheren Gesellen wieder zurück, mit der Werft ging es aufwärts und nun begann eine beispiellose Phase, die bis in die 1960er Jahre dauern sollte.

Meine Brüder, meine Schwestern und ich, wir haben wunderschöne Erinnerungen an diese Zeit. Unsere Familie war nicht reich – Preisgestaltung gehörte nicht zu den Leidenschaften meines Vaters – aber wir haben so viel für unser Leben gelernt! Das Lernen begann für uns am Sonntag im Wald. Wir waren an der frischen Luft, die Auswahl der richtigen Eichen war fast schon ein religiöser Moment, dann die Sichtung am Quai des Greniers, der Stress mit dem Ausstoß, wenn man feststellte, dass die Eichen zu viel Splintholz hatten und alles wieder von vorne begonnen werden musste.

Wir waren eine große Familie: Kinder, Lehrlinge, Arbeiter, Kunden und für mich gab es damals keinen schöneren Beruf als den des Schiffsbauers. Und auch hier haben wir viel gelernt…

Unbedingt erwähnen möchte ich die Rolle unserer Mutter in dieser Zeit. Unser Vater galt als Künstler und als solcher war er anerkannt und respektiert. "Die Chefin" aber, das war unsere Mutter. Wenn am Monatsende das Geld knapp war, musste sie sich darum kümmern. Hatte sich ein Arbeiter verletzt ging er die Straße hoch zu unserem Haus und Maman versorgte ihn. Sie wusste einfach immer Rat, vor allem aber war sie jeder Situation gewachsen. Wenn das Vorbild die beste Erziehung ist, konnte es für uns kein größeres Glück geben als diese kleine, gerade einmal 1,50 m große Frau zur Mutter zu haben. Und sie war eine großartige Mutter!

1962-1964

ÜBERGANGSJAHRE

Beim Rückblick auf diese Jahre empfinde ich unterschiedliche Gefühle. Es wird ganz still: Die Arbeiter pfeifen nicht mehr so oft, unsere Eltern werden ruhiger, die Kunden weniger, die Besuch des Bankdirektors häufiger. Mit dem Rückgang des Fischfangs erleben wir den Anfang vom Ende dieses wunderbaren Metiers des Schiffsbaus. 

Die große Leidenschaft unseres ältesten Bruders André ist das Zeichnen. Aber es gab nichts mehr zu zeichnen. Unsere Eltern mussten noch drei Kinder großziehen und wir hatten noch 17 Schiffsbauergesellen. Wie kann man Schiffsbauer anderweitig beschäftigen?

1964

VORBOTEN DER FREIZEITSCHIFFFAHRT

Viele nannten es Glück. Ich sehe es mehr als einen Wink des Schicksals. Als ich jenen Mann traf, der später mein Ehemann werden sollte, begann ich zu verstehen was nicht funktionierte, ich verstand den Ernst der Lage. Ich bin noch keine 22 Jahre alt, ich bin eine Frau und in den 1960er Jahren sind "Geschäftsfrauen" eher selten und auch nicht besonders anerkannt, obwohl in unserem handwerklichen Umfeld die Ehefrau oft die Chefin war.

Dieses Glück verdanken wir auch unserem Vater. Er dachte nicht an Sport oder Freizeit, aber er hatte ein neues Material entdeckt: Polyester. Seine Idee war es, die Beiboote der Sardinenkutter aus Polyester zu bauen. Gemeinsam mit meinem Bruder André hat er das ab 1963 auch gemacht.

Wir haben dann die Genossenschaften abgeklappert, um den Fischern unsere Beiboote zu verkaufen, und wir haben die Boote auf der Messe in Lorient ausgestellt. So sind unsere zukünftigen Händler auf uns aufmerksam geworden und haben uns auch weiter beraten. Aus den Beibooten für die Fischkutter entstanden die 3,60 m lange Guppy und die 4,30 m lange Flétan. Das 5,80 m lange Starlet mit der ausladenden Bugform bekam den Namen Ombrine. Es war das letze Boot, das unser Vater gezeichnet hatte. 

Wir hatten ein neues Marktsegment erfunden, das später unter der Bezeichnung Angelboote bzw. Sportfischerboote bekannt werden sollte. Wir wussten es nur noch nicht.

1965-1972

ERSTE MODELLSERIE

Januar 1965 : Unsere erste Bootsmesse in Paris. Die Nerven liegen blank. Keines der anderen Boote sieht so aus wie unsere Boote. Für uns ist Paris unbekanntes Terrain und wir fühlen uns hier fehl am Platz. Aber schon bald nach der Eröffnung besuchen uns drei Geschäftsmänner auf unserem Stand. „Ihre Boote sind genau das, was unsere Kunden suchen. Kein Hersteller will solche Boote bauten“, erklären sie uns. Nun will der eine die Vertretung für das Morbihan, der zweite für das Finistère und der dritte will uns in der Region Côtes du Nord vertreten. Ihre Bestellungen bedeuten mehrere Monate Arbeit für unsere Belegschaft. Nach 2 Minuten Diskussion mit meinem Mann über den Vertrieb ist die Sache klar: Wir bauen ein Vertriebsnetz auf. Das gab damals noch nicht - Jeanneau ausgenommen. 

In diesen sieben Jahren konnten wir unsere Bilanzen wieder ausgleichen, das Ende der Fischerei subventionieren, unsere Schiffszimmerleute nach und nach neu anlernen, viele Kundenmeinungen einholen und in neue Produkte investieren, um den Wunsch der Kunden nach größeren Schiffen zu erfüllen. So entstanden neben Guppy und Flétan die Modelle Capelan, Cabochard, Galion, Forban, Kerlouan, Baroudeur und die Ombrine: eine komplette Modellserie von 3,60 m bis 5,80 in einem typisch französischen Segment. 

Mein Bruder André sitzt an seinem Zeichentisch, das wachsame Auge unseres Vaters richtet sich vor allem auf die Prototypen, die Kinder werden größer, die Familie ist wieder glücklich!

1972

ERSTE INVESTITIONEN

1972 sollte ein tolles Jahr werden! Die Bilanzen waren ausgeglichen, wir wollten investieren. Zunächst in die Belegschaft, dann in eine Fertigungsanlage, bescheiden zwar, aber dennoch für eine halbindustrielle Produktion ausgelegt. 

Wir wollten unsere Angelboote weiterentwickeln. Die Kunden hatten segeln gelernt, sie wollten größere Boote, mehr Komfort an Bord und sie wollten das Meer vom Salon aus sehen.

Nichts ist schwieriger, als eine neue Modellserie zu entwickeln. Mein Bruder André hat sich unsere Wünsche angehört, sich zurückgezogen und als ich mit ihm einige Monate später auf einer Bootsmesse in Deutschland war, nahm er im Restaurant eine Papierserviette, zeichnete ein neues Boot und sagte zu mir: Hier hast du dein Boot!“ Es war die Evasion 32, später folgten die Evasion 37, dann die Evasion 28.

Wir bauten dann eine neue Fertigungsanlage in Commequiers für Modellserien in einer Größe, wie sie der Freizeitmarkt unserer Meinung nach damals verlangte.

Parallel dazu schritt auch bei den Motorbooten die Entwicklung voran. André, ein begeisterter Hochseefischer, zeichnete die Antares-Modellserie. Die Ombrine diente ihm dabei als Vorbild.Nun tritt auch unser jüngerer Bruder Yvon in die Firma ein. Sein Metier ist die Produktion und er entwickelt sich zu einem unserer besten Spezialisten auf diesem Gebiet. 

1976

ENTSCHEIDUNGSJAHR

Zu dieser Zeit hat BENETEAU einen hohen Marktanteil bei den Angelbooten, tausende Kunden fahren mit unseren Booten, aber einige verlassen uns auch, weil sie schneller unterwegs sein wollen. Der große Regatta-Segler François träumt von einem leistungsfähigen Boot. André will es entwerfen, aber wir wissen, dass es auf diesem Gebiet Konstrukteure mit anderen Erfahrungen gibt. Wie also an die Sache herangehen? Wie erklären, dass ein Schiff aus dem Haus Beneteau diesmal nicht von einem Konstrukteur aus dem Haus BENETEAU gezeichnet ist? Das Glück ist uns hold: Man bietet uns die Formen der L´Impensable an. Sie wurde als Siegerschiff konzipiert und hat mit dem Sieg des Half Ton Cups ihr Versprechen auch gehalten. Gemeinsam mit André Mauric haben wir den Segelplan geändert, den Kiel umgearbeitet, die Innenausstattung, das Deckshaus. Wir haben sie First genannt. Niemand hat das von uns erwartet. Wir präsentieren die First auf der Pariser Bootsmesse. Sie ist einfach umwerfend. Heute hat die First Modellserie Kultstatus. Und mit der First haben wir die Türen zum Export aufgestoßen.

Der umwerfende Erfolg führt zum Bau neuer Fertigungslinien, allesamt entwickelt von Béri, das Ingenieurbüro meines Ehemannes, das später unsere Familienholding werden sollte.

1980

AUFSCHWUNG

Das Motorbootteam beauftragt Christ Van Der Velden mit dem Bau eines Katamarans. Er gewinnt mit diesem Boot für Beneteau die "6 heures de Paris." Ich erinnere mich noch gut an die Gesichter unserer Freunde und der Branchenkollegen von damals. Wie konnten wir nur diese Regatta gewinnen, wir die Segler, die von Motoren keine Ahnung hatten? Das war aber noch nicht alles. In der Folge entstand die Flyer-Serie und wir präsentierten die ersten Modelle auf der Bootsmesse in Paris.

Im Segelbereich war es die Hochzeit des Admiral´s Cup. Mit unserem kongenialen Partner Corum unter der Leitung von Jean-René Banwart tüftelten wir an neuen Rumpfdesigns, suchten auf der ganzen Welt nach den besten Konstrukteuren, entwickelten die First Evolution, die Lady B, die First Lady. Diese Prototypen waren wichtige Entwicklungsschritte für uns. Damit konnten wir unseren Kunden Serienboote auf dem letzten Stand der Technik bieten. 

Natürlich bemühen wir uns auch in diesem Jahrzehnt um unsere Kunden ganz besonders um jene, die die Langfahrten lieben. Für sie organisieren wir Ausfahrten unter dem Titel "Evasions d´Or"( Die Idee dazu habe ich aus der Motorradwelt übernommen). Wir bemühen uns auch um unsere zukünftigen Kunden. Wir schließen Verträge mit verschiedenen Radiostationen wie Europe1 und RTL und werden Partner der bekannten „Strandtouren“ der einzelnen Sender. Im Rahmen dieser Veranstaltungen begrüßen wir so illustre Gäste wie Michel Drucker, Carlos, Thierry Le Luron und viele andere mehr und motivieren die Franzosen, aufs Wasser zu gehen.

1981-1986

ARBEITSREICHE JAHRE

Dieses Jahrzehnt wird wegweisend für uns. Seit den 1970er Jahren haben wir im Rahmen unserer Möglichkeiten in den Export investiert, haben vor allem in Europa ein Netz aus Vertriebspartnern und Importeuren aufgebaut. Die erste Niederlassung in den USA eröffneten wir im Jahr 1976 in Annapolis. Ein erster Schritt zur Etablierung unserer Marke, eine erste Präsenz vor Ort die uns half, die Vorlieben und Wünsche der amerikanischen Konsumenten besser zu verstehen.

In diesen fünf Jahren haben wir Niederlassungen gegründet, die Produktentwicklungen weiter vorangetrieben, uns verschiedene Charterunternehmen angesehen um schließlich bei den Moorings zu landen. Die beiden außergewöhnlichen Inhaber, Ginnie und Charly Carry, werden enge Freunde und gemeinsam konzipieren wir die ersten Boote, die speziell für den Charterbetrieb gemacht sind. So entsteht die 13,50 m lange Idylle, die Vorläuferin der Oceanis-Modellserie.

1982 lancieren wir auch die First Class 8, eine neue One Design Bootsklasse, gezeichnet von Jean-Marie Finot. Sie ist die erste französische Serien-Einheitsklasse. In mehr als 20 Jahren verkaufen wir fast 1.000 Regattaboote dieser Serie.

Es folgen die First Class 10 und 12. Mit diesen Booten wurde damals die berühmte "Combat des Chefs" in Marseille gesegelt, eine unterhaltsame Regatta, bei der Politiker mit großen Unternehmern um die Wette segelten.

1984 Die Pariser Börse eröffnet den Sekundärmarkt. Zodiac ging als erster an die Börse und zum 100-Jahr-Jubiläum sollte auch Beneteau an der Börse notiert sein. Wir haben ehrgeizige Investitionsprojekte und müssen unsere Finanzen konsolidieren. Ein großer Augenblick in der Unternehmensgeschichte.

1985 eröffnen wir die neue Fabrik in Challans. Außerdem ist das Verkaufsvolumen in den USA mittlerweile so groß, dass wir überlegen, die erste Produktionsstätte außerhalb Frankreichs zu errichten. Wir denken dabei an einen zentralen Ort an der Ostküste. Carolina gefällt uns sehr gut und schließlich entscheiden wir uns für den Standort Marion, eine kleine Stadt 2 Autostunden entfernt von Charleston. Ein industrielles Investment in den USA ist für ein französisches Unternehmen ein sehr ambitioniertes Vorhaben. Viele Unternehmen haben es nicht geschafft. Wir aber sind von unserem Projekt überzeugt und bereit, die Herausforderung anzugehen.

GEBURTSSTUNDE DER OCEANIS

Die Idylle, die wir gemeinsam mit den Moorings konzipiert haben, steht am Beginn des Cruiser-Programms. François Chalain holt Philippe Briand und gemeinsam entwickeln die beiden in nur wenigen Monaten die Oceanis 350, später die Oceanis 430. Die große Wette ist gewonnen, der Erfolg stellt sich unmittelbar ein.

RENAISSANCE DER FIRST

Wie sollen wir nach den technischen Schwierigkeiten im letzten Jahr der First wieder neuen Schwung verleihen? Wir brauchen Hilfe! Wir denken an Philippe Stark und ich treffe ihn in Paris. Bei unserem Gespräch sagt er mir geradeheraus, dass Boote nicht gerade sein Spezialgebiet seien. Er schlägt uns vor, eine First 35 in seinem Garten in Montfort-l´Amaury aufzustellen. Er würde erst einmal an paar Nächte an Bord verbringen und uns nach dieser Erfahrung seine Antwort geben… Nun, das Vorgehen war etwas ungewöhnlich, aber wie gewünscht stellten wir ihm eine First 35 zur Verfügung. Sie war das erste Schiff mit zwei Achterkabinen, gezeichnet von François Chalain und Jean Berret. Wir warteten also…. Was soll ich sagen, sein Bericht war einfach umwerfend! 

In dieser fröhlichen, herzlichen und sehr professionellen Stimmung entstand die First 35 S5. Ich könnte ganze Bücher füllen mit Anekdoten und Emotionen aus dieser Zeit. Wir schöpften wieder Mut und waren motiviert, uns selber zu übertreffen. Der große Moment kam: die Präsentation auf der Pariser Bootsmesse im Jahr 1987. Und was für ein Schock! Einer von zwei Kunden fand die First 35 S5 toll, der andere schrecklich. Das konnte uns aber nicht aufhalten. Die Serie war ein Erfolg und Philippe Starck hat uns und die gesamte Branche ein Stück vorwärts gebracht und dabei eine neue Welt kennengelernt. Heute stammen die größten Yachten der Welt aus seiner Feder!

1989

JAHR DER FIGARO KLASSE

Der Segelsport liegt uns nach wie vor sehr am Herzen und 1989 wird zum Geburtsjahr der Figaro Klasse. Die Solitaire du Figaro – früher Course de l´Aurore – ist eine Regatta, die traditionell auf Prototypen gesegelt wird. Nun wurde der Umstieg auf baugleiche Boote beschlossen. Die Solitaire du Figaro ohne BENETEAU Beteiligung ist undenkbar, sind wir doch seit der ersten First mit dieser Regatta eng verbunden. Michel Malinovsky gewann mit unserer ersten First diese Regatta und legte damit den Grundstein für ihren Erfolg.

Das Projekt von BENETEAU und Jean-Marie Finot gewann den Konstrukteurswettbewerb. Wir hatten  nun die Ehre, diese Einheitsklasse zu bauen. Gleichzeitig durften wir mit der Figaro erleben, wie eine fantastische Generation junger Segler heranwuchs, die später auch auf der Langstrecke reüssierten. Ihnen ist es zu verdanken, dass französische Skipper im Segelsport auch weiterhin einen ausgezeichneten Ruf genießen. 

1990

KREATIVITÄT

Während sich die erste weltweite Krise auf dem Gebiet der Freizeitschifffahrt am Horizont abzeichnet, gehen bei uns die Arbeiten am Design der First weiter. Ein Gespräch auf der Pariser Bootsmesse mit einem unserem treuen italienischen Kunden macht uns hellhörig. Dieser Kunde, ein renommierter Designer bei Pinifarina, sagt zu uns: „Hört auf zu träumen, die Boote sind doch alle gleich.“ Er spricht mit uns über die Weiterentwicklung der Formen, vor allem im Automobilbereich, und findet unsere Decks zu eckig. 

Ich muss sagen, die Familie Pinifarina war fantastisch: Sergio wusste, dass unsere Mittel dem Vergleich mit seinen Kunden aus der Automobilwelt nicht standhalten konnten. Aber er bietet uns eine Zusammenarbeit an und gemeinsam entwickeln unsere Teams ein fließendes Decksdesign. Ich durfte wieder fast schon religiöse Augenblicke erleben, als der rote Stift von Herrn Ramacciotti Strich für Strich die Decksmatrix der zukünftigen First 45 zeichnete.

Das Talent der Designer hat mich schon immer fasziniert. Für dieses Boot gab es schon vor der ersten Präsentation unzählige Vorbestellungen und ich gebe zu, dass ich mich heute immer noch freue, wenn ich in einem Hafen eine Frist erblicke. Ich bin da natürlich nicht objektiv, aber sie sind immer noch jung und frisch…

Ich möchte das Kapitel der 1980er Jahre nicht ohne ein Wort zur Fischerei abschließen.Wir konnten und wollten unsere Kunden aus der Berufsfischerei nicht im Stich lassen und haben sie Schritt für Schritt beim Übergang von Holz zu Polyester begleitet. Um unsere Aktivitäten sauber zu trennen, haben wir die Gendron-Werft in Noirmoutier mit ihren hochqualifizierten Mitarbeitern übernommen, eine der letzten Holzbauwerften in der Vendée. Die Fischerei war immer schon die große Leidenschaft unseres ältesten Bruders. Also arbeitete er weiter an seinen bis zu 22 m langen Rümpfen, wir pflegten unsere Freundschaft mit der bodenständigen und herzlichen Welt der Seeleute bis wir uns eines Tages eingestehen mussten, dass unser Engagement wirtschaftlich nicht mehr wirklich vernünftig war…

1991-2001

IN DER KRISE ZUSAMMENHALTEN, SICH ERINNERN UND WACHSEN

1991, gefangen in der globalen Krise, kämpften alle Mitbewerber mit den gleichen Waffen. Wie soll man eine Krise meistern, wenn man keine Orientierungspunkte hat? Einige gingen mathematisch an die Sache heran und richteten ihr Unternehmen zugrunde, andere entschlossen sich zu einer menschlicheren Herangehensweise und ernteten dafür Kritik und Skepsis. Wieder andere mussten kapitulieren…

Wir haben in der Krise zusammengehalten und so die Herausforderung bewältigt. Unsere Mitarbeiter vertrauten uns, wir kannten ihren gesunden  Menschenverstand und wussten, dass wir uns auf sie verlassen konnten. Dinge infrage stellen, Probleme erkennen, Umstrukturieren, diese einschneidenden Schritte waren hart. 

In dieser Zeit sind jene Menschen von uns gegangen, die die Seele des Hauses BENETEAU so sehr geprägt hatten. Wir verloren unsere Mutter Madame Beneteau, ich verlor meinen Ehemann Louis-Claude Roux, der mich in nur wenigen Sekunden mit unseren beiden Kindern, der Eisenwarenfabrik Roux und 200 verunsicherten Mitarbeitern zurückließ. Auch unser Bruder André ging, ihm folgten bald darauf der talentierte und treue François Chalain und seine Frau. Ich kann die Firmengeschichte nicht schreiben, ohne ihnen allen meine liebevolle Bewunderung und meinen tief empfunden Dank auszudrücken. 

1992 übernimmt Beneteau zum ersten Mal in der Firmengeschichte ein Unternehmen. Infolge verschiedener gesetzlicher Maßnahmen zur Steuererleichterung in den französischen Überseegebieten erleben diese Regionen einen wahren Tourismusboom. Wir haben nun die Möglichkeit, in Frankreich mehrere kleine Werften zu bauen. So entsteht CNB in Bordeaux.

O’Hara war 1994 unsere erste Diversifizierung. Die Idee kam nicht von mir. Gemeinsam mit einigen treuen Mitarbeitern setzen wir diese Vision um: O´Hara war geboren. Wir wollten neue Geschäftsfelder erschließen, um die Schocks aus den Markteinbrüchen in der Freizeitschifffahrt in der Gesellschaft besser abfedern zu können. Wir konzipierten ein Mobilheim im Südstaatenstil, das auf dem Campingsektor für Furore sorgte. IRM, unser Konkurrent in der Vendée, schloss sich uns später an und wir produzierten bis zu 14.000 Häuser jährlich.

Mit Jeanneau übernahmen wir 1995 ein weiteres Unternehmen. Der Zusammenschluss mit unserem ewigen Konkurrenten war der gravierendste Schritt in unserer Unternehmensgeschichte, vielleicht auch in der Geschichte der französischen Freizeitschifffahrt.

Diese Auseinandersetzung war hart und ungemütlich. Die französische Verwaltung hatte entschieden, die Freizeitschifffahrt umzugestalten. Im Rahmen dieser Restrukturierung hatte „man“ unsere Zukunft besiegelt… Aber mit welchem Recht?! Ich erfuhr davon bei einem vertraulichen Gespräch mit einem treuen Freund auf der Paris Bootsmesse, da war es auch schon fast zu spät. Aus tiefster Seele und mit aller Kraft wollte ich mich dagegen wehren! Ich bin sofort in die Vendée, habe mich zurückgezogen, um besser nachdenken zu können, da rief der Anwalt meines Vertrauens an: Die Vorgehensweise der Behörden war derart grob, dass wir zum Angriff übergehen konnten. Also griffen wir an. Das Gericht gab uns eine gute Woche Zeit, um unser Angebot zu unterbreiten. Der Tag der Verhandlung kam und in all seiner Weisheit entschied das Gericht von La Roche-sur-Yon zu unseren Gunsten. An diesem Tag kam ich irgendwann ziemlich k.o. zu Hause an. Nie werde ich die strahlenden Gesichter meiner Kinder vergessen, die wieder einmal in der Weihnachtszeit auf ihre Mutter verzichten mussten. Unserem wundervollen Kindermädchen Yoselyne ist es zu verdanken, dass mich die Kinder ganz fröhlich mit einem Rosenstrauß begrüßten.

Dieser Zusammenschluss war ein großer Moment. Zwei Familien aus der Vendée, zwei Unternehmen, die mit denselben Problemen konfrontiert waren und die sofort eine gemeine Sprache fanden. Zwei Belegschaften, die am Vorabend noch davon überzeugt waren, besser als der andere zu sein entdeckten, dass es beim jeweils anderen Gutes und weniger Gutes gab. Wir beschlossen also, von jedem das Gute zu nehmen und das weniger Gute einfach beiseite zu lassen. Gemeinsam profitierten wir vom Wiedererstarken der Märkte und die Bereicherung durch die neuen, erfahrenen Mitarbeiter. 

2003-2014

ÜBERGEBEN UND DANKEN

In der Krise haben wir uns verändert. Aus der Beneteau Werft wird die BENETEAU Gruppe. Schon bald stellt sich die Frage nach dem Firmensitz. Wir entscheiden uns für St-Gilles-Croix-de-Vie und übernehmen das Restaurant Les Embruns gleich gegenüber der Hafeneinfahrt. An diesem Ort waren so viele Geschäfte abgeschlossen worden und hier, gegenüber der Mole, hatte uns unser Vater als Kinder zur Vorstellung seines letzten Fischkutters mitgenommen.

2004. Alles läuft gut, unser Wachstum ist spektakulär. Wir bauen neue Fabriken und modernisieren die bestehenden Fertigungsanlagen. Federführend dabei sind Yvon Beneteau und das Ingenieurbüro Béri. Wir gewinnen Markanteile und sind nun nicht mehr der kleine Familienbetrieb. Für mich persönlich sind die 40 Jahre im Unternehmen wie im Flug vergangen. Meine Aufgabe ist es nun, die Zukunft vorzubereiten.

Vor mir liegt eine wichtige und sehr schwierige Phase: Für die BENETEAU-Gruppe muss eine Form der Unternehmensführung gefunden werden, die den Fortbestand des Unternehmens - über ein Menschenleben hinaus - sichert. Diese Verpflichtung haben wir gegenüber unseren Mitarbeitern, unseren Kunden, unseren Lieferanten, aber auch gegenüber unseren Aktionären außerhalb der Familie, die uns ihr Vertrauen schenken.

Von der traditionelle Unternehmensführung mit einem Verwaltungsrat, der sich fast ausschließlich aus Familienmitgliedern zusammensetzt und einem Generaldirektor, der bis dahin ebenfalls immer aus der Familie kam, gehen wir über zu einer Managementstruktur mit einem Aufsichtsrat und einer operativen Geschäftsführung. Im Aufsichtsrat sitzen nun auch erfahrende Persönlichkeiten von außerhalb der Familie, jeweils Spezialisten in ihrem Verantwortungsbereich.   

 

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