Nachhaltiger bootsbau bei Beneteau

Wir haben uns mit Erwan Faoucher, Leiter für Forschung und Innovation bei der Beneteau-Gruppe, unterhalten.

BENETEAU: Hallo Herr Erwan Faoucher, vielen Dank, dass Sie heute hier sind.  Wir werden über nachhaltigen Bootsbau bei BENETEAU sprechen.  Können Sie uns zunächst erzählen, wer Sie sind und was Ihre Aufgabe ist?

Erwan Faoucher: Natürlich!  Ich heiße Erwan Faoucher, bin 39 Jahre alt und seit 4 Jahren Teil der Beneteau-Gruppe.  Wie Sie bereits erwähnt hatten, bin ich für Forschung, Innovation und nachhaltigen Bootsbau verantwortlich.  Ich leite ein Team aus 45 Personen, die in diesen Bereichen für die Gruppe arbeiten.

BENETEAU hat zum Ende letzten Jahres zahlreiche Mitteilungen veröffentlicht.  Ist irgendetwas Besonderes passiert?  Von welchen neuen Entwicklungen können Sie uns berichten?

 

Seit einiger Zeit arbeiten wir an mehreren technischen Punkten. Es war uns allen ziemlich bewusst, dass wir unseren CO2-Fußabdruck reduzieren und neue nachhaltige Bootsbautechnologien entwickeln müssen.  Wir haben zum Beispiel ein paar Schlüsselbereiche wie Antrieb, Rohstoffe und Holz festgelegt.

Wir haben vor ein paar Monaten beschlossen, darüber zu berichten, da wir der Meinung waren, dass wir in diesen drei Bereichen interessante Fortschritte gemacht haben.

Bei den Rohstoffen war es ziemlich herausfordernd, Polyester zu ersetzen, da es günstig und aus technischer Sicht ein interessantes Produkt ist.  Um erfolgreich zu sein, mussten wir die besten Partner im Bereich Technik finden und unsere Produktentwicklung planen.  Das hat gut drei Jahre lang gedauert.  Wir wollten es nicht zu früh öffentlich machen, aber als wir etwas Wichtiges erreicht haben, Elium®-Harz, wollten wir Aufsehen erregen.  Zudem war der Zeitpunkt ziemlich gut, da wir wussten, dass wir für die wichtigsten Bootsmessen fertig sein könnten.  Die Herstellung einer First 44 aus Elium®-Harz war noch besser, da wir alle wissen, wie kultig und innovativ diese Reihe ist. 

Obendrein wurde das Boot, das für die Bootsmessen in Paris und Düsseldorf hergestellt wurde, auch mit Pod-Antrieben von Torqueedo (serielle Hybridtechnologie) und einem neuen Iroko-Deckmaterial ausgestattet. Wir nennen es jetzt Iro-Deck.

Könnten Sie uns bitte den Innovationsprozess der Beneteau-Gruppe beschreiben?


Wir führen vier wichtige Schritte durch:

  1. Wir schätzen ein, was auf dem Markt verfügbar ist, was wir erreichen müssen und worin die Herausforderungen bestehen, damit wir einen globalen Plan erstellen können.
  2. Dann analysieren wir die technische Durchführbarkeit der Produktion im großen Umfang. Sobald wir mit diesen beiden Schritten fertig sind, führen wir Tests durch, um herauszufinden, ob der Markt bereit ist für unsere Innovation und, ob tatsächlich Nachfrage besteht.  Wir haben die First 44 gebaut, um das Interesse der Kunden für nachhaltigen Bootsbau einzuschätzen. Gute Nachricht: Die Reaktion darauf ist positiv!
  3. Dann können wir einen Schritt weitergehen und den Prozess verbessern, um diese neuen Technologien in unserer Werft einzusetzen.
  4. Letztendlich nutzen wir die neuen Innovationen, indem wir sie für die relevanten Marktsegmente und Bootmodelle verfügbar machen.

Um nochmal auf die First 44 zu sprechen zu kommen, die wir in Paris und Düsseldorf ausgestellt haben. Wir haben sie als Konzeptboot vorgestellt, das nicht zum Verkauf stand.  Unser Ziel bestand darin, dieses Modell zu Demonstrationszwecken zu zeigen sowie den Kunden die Möglichkeit zu bieten, es zu sehen, Fragen zu stellen und Rückmeldung zu geben. Zum Beispiel gab es einige Fragen zu den mechanischen Eigenschaften von Elium®-Harz. Dieses Harz kann schmelzen und einige Leute waren besorgt deswegen.

Sehr interessant.  Also nicht alles, was es bei diesem Konzeptboot zu sehen gab, wird morgen auf unseren Preislisten auftauchen, aber zumindest haben Sie viel in Bezug auf den Prozess und die Marktanforderungen gelernt

 

Definitiv.  Zunächst haben wir gelernt, dass wir Elium®-Harz in unserer Werft verwenden können, was großartig ist. Das Infundieren von Elium®-Harz funktioniert jedoch anders als mit Polyester. Also müssen wir unsere Produktionslinien anpassen und unsere Mitarbeiter schulen, damit es gelingt. Der Vorgang ist etwas komplizierter. Man kann eine Produktionslinie nicht an einem Tag umstellen. Schulung ist erforderlich.
Sehr interessant zu beobachten war auch, dass die Kunden in Bezug auf diesen Schritt erfreut und positiv gestimmt waren. Intern wussten wir nicht, ob wir zu früh dran sind, aber der Markt ist wahrscheinlich bereiter als gedacht.  Deshalb arbeiten wir jetzt eifrig daran, dass diese neuen Lösungen so schnell wie möglich erhältlich sind.

Das ist bei Iro-Deck jetzt der Fall.  Als Nächstes ist der Antrieb dran. Bei einigen unserer Modelle bieten wir bereits Elektromotoren an.  In Bezug auf die GFK-Teile (sollten wir Elium sagen?) haben wir ein weiteres Projekt innerhalb der Gruppe gestartet, um unseren Prozess zu verfeinern, bevor wir 2024 in Serienfertigung gehen.

Können Sie mehr Details zur Umstellung einer Fabrik von Polyester auf Harz nennen?  Welche Konsequenzen bringt das mit sich? 

 

Wie ich bereits erwähnt hatte, ist der Prozess ein bisschen anders. Deshalb brauchen wir einige neue Instrumente, damit wir Elium® korrekt infundieren können.  Dann müssen wir dafür sorgen, dass die Belegschaft schneller wird. Dabei geht es jedoch vielmehr darum, ihnen einige Tipps zu geben, damit sie die neue Technologie beherrschen, als eine komplett neue Aufgabe zu erlernen.  Insgesamt wird das Bootsbauen etwas länger dauern, da mehr Präzision erforderlich ist.

 

Es passiert also nicht von heute auf morgen, aber ist es in den nächsten Jahren oder Monaten gut möglich?

 

Definitiv.  Wir müssen auch berücksichtigen, dass das Herstellen von umweltfreundlichen Booten teurer ist. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass die Kunden bereit sind, 10-15 % mehr für ein aus Elium® gefertigtes Boot zu zahlen. Das überprüfen wir gerade.  Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass man Elium® und Polyester nicht auf derselben Produktionslinie mischen kann. Man kann die Entscheidung also nicht wirklich rückgängig machen. 
Deshalb entscheiden wir uns vielleicht dafür, einige unserer Linien für Elium® zu bauen und für den Rest weiterhin andere Materialien zu verwenden.  Mein Team arbeitet auch daran, wie man die CO2-Emissionen mit anderen Materialien als Elium® senken kann, um mehr Traktion zu erlangen.

Reden wir nun über den Antrieb.  Wie schnell werden wir sehen, welche Produktionsmodellbote in Paris vorgestellt wurden?

 

Wenn man alternativer Antrieb hört, denkt man sofort an Elektroantrieb.  Je nach der von Ihnen benötigten Autonomie, haben Sie entweder ein vollelektrisches System oder eine serielle Hybridlösung, wie die, die wir bei der First 44 hatten.  Diese beiden Systeme sind fertig und in den nächsten Monaten erhältlich.

 

Zudem arbeiten wir gleichzeitig für größere Boote an Hybridlösungen, die bis Ende 2024 fertig sein sollten.

Unser letztes Thema ist Iroko oder Iro-Deck, wie wir es nennen.  Alle, die es bei der First 44 gesehen haben, waren sehr begeistert und beeindruckt.

 

Ich muss zugeben, dass dieses neue Material eindrucksvoll ist.  Wir haben alle vorher Teak verwendet und es ist schwer zu ersetzen, denn es ist so ein fantastisches Produkt.  Wir haben allerdings keine andere Wahl, da wir kein Teak aus Myanmar mehr bekommen.  Wir wissen, was die Leute daran mögen:  die Optik, dass es „echtes“ Holz ist, wie Sie es behandeln können etc. 

 

Die Herausforderung bestand also darin, eine Alternative zu finden, die all diese Eigenschaften vereint. Das hat uns viel Energie gekostet.  Letztendlich haben wir uns für Iroko entschieden, was eine großartige Lösung ist:  ein Naturholz, das in Guinea wächst, beschafft aus nachhaltigen FSC-zertifizierten Wäldern.  Wir verwenden es in Form von Glulam (Brettschichtholz), dünne, miteinander verbundene Holzschichten, mit insgesamt über 70 % Holzanteil.  Wie gesagt, wir haben großartige Rückmeldungen dazu erhalten.  Ich habe auch FSC-Experten in Düsseldorf getroffen. Sie bestätigten, dass es eine großartige Wahl ist.

Zum Schluss noch etwas, was ich noch nicht erwähnt habe: Keines dieser neuen innovativen Produkte wäre ohne das Engagement des Labors der Beneteau-Gruppe entwickelt worden.  Wir geben das nicht so öffentlich bekannt, aber das Expertenteam ist bei unserem Innovationsprozess sehr wichtig.

Veröffentlicht am 31.03.2023